Doppelweltmeister Florian Wellbrock demonstriert bei der DSV Olympiaqualifikation in Berlin seine Stärke

Viele Olympiatickets und noch mehr Topzeiten: Die Athlet*innen des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV) zeigten bei der DSV Olympiaqualifikation Beckenschwimmen auch am Samstag Weltklasseleistungen in Serie.

Das Prunkstück im Wettkampfprogramm sind aus deutscher Sicht derzeit die 400m Freistil. Hier kraulte Doppelweltmeister Florian Wellbrock (SC Magdeburg) mit 3:44,36 Minuten bis auf eine Hundertstelsekunde an seine Weltjahresbestleistung aus der Vorwoche heran. Dahinter konnten Lukas Märtens (SC Magdeburg/3:44,86) und Henning Mühlleitner (Neckarsulmer Sport-Union/3:45,36) ihre ebenso alten Bestzeiten sogar noch einmal steigern, allesamt blieben wieder unter der Normzeit für die Spiele in Tokio (23. Juli – 08. August). Letzte Woche in Eindhoven war ich mehr oder weniger alleine im Becken und bin mein eigenes Ding geschwommen. Heute hatte ich die beiden Jungs neben mir, da hat man sich nochmal schön nach vorne gepeitscht. Bei einer guten Konkurrenz kommt auch ein entsprechendes Ergebnis heraus“, sagte Mühlleitner. Und denkt längst darüber nach, in der Olympiavorbereitung nun auch öfter mit den beiden Rivalen zusammen zu trainieren.

Und vielleicht darf Mühlleitner über 400m dann sogar in Tokio starten. Denn laut Wellbrock gibt es die Tendenz, dass er diese Strecke dort weglässt, um sich nicht zu verzetteln. „Das werden wir vielleicht schon Sonntag entscheiden. Florians Hauptstrecken sind die 1500m und die 10km, diesmal nehmen wir schon die 800m dazu, auch fokussiert, nicht so wie bei der WM 2019. Diese Ziele verfolgen wir weiter, die schnelle 400m-Zeit ist einfach nur eine perfekte Grundlage für alles andere“, sagte Bundestrainer Bernd Berkhahn. Wellbrock selber dachte auch schon über andere Effekte einer solchen Entscheidung nach: „Es sind keine ausländischen Zuschauer*innen in Japan erlaubt, deswegen habe ich Interesse, das deutsche Team groß zu halten und dass viel Stimmung vom Team Deutschland auf der Tribüne gemacht wird. Und ich gönne es Lukas und Hennig auch. Wenn ich meinen Start nicht wahrnehme, haben die beiden es verdient zu starten, sie waren auch klar unter der Norm.“

Magdeburger Doppelsieg und eine weitere Olympianorm für Sarah Köhler

Auch bei den Frauen feierte Berkhahns Trainingsgruppe über 400m Freistil einen Doppelsieg. Isabel Gose siegte hier in 4:05,19 Minuten und konnte damit ihre Bestleistung aus der Vorwoche und den von ihr selbst gehaltenen Altersklassenrekord für 19-Jährige noch einmal um fast eine Sekunde verbessern. Und Langstreckenspezialistin Sarah Köhler (SC Magdeburg) erfüllte als Zweite (4:05,99) ebenfalls eine weitere Olympianorm neben den 800m und 1500m, unter drei Einzelstarts bei Olympia machen sie es bei Berkhahn also nicht mehr. „Ich bin schon stolz, dass unsere Gruppe so groß im Team vertreten ist“, meinte Köhler.

Auch Leonie Kullmann (SG Neukölln) hat bereits die Norm erfüllt und konnte diese erneut bestätigen mit 4:06,25, sie muss nun allerdings abwarten, wie sich die vielfach qualifizierten Köhler und Gose entscheiden, ob es mit dem Einzelstart wirklich klappt, in der Staffel ist sie aber in Tokio auf jeden Fall dabei.

Damian Wierling führt die 4x100m-Freistilstaffel nach Tokio

Noch enger, und das gleich in doppelter Hinsicht, ging es im Kampf um die Olympia-Plätze über 100m Freistil der Männer zu – beide Male mit positivem Ausgang. Denn Damian Wierling (SG Essen) unterbot als Sieger mit 48,48 Sekunden um zwei Hundertstel die Einzelnorm. „Es ist so schön, dass ich es jetzt geschafft habe. Und ich glaube, dass noch mehr in mir habe, um bei den Spielen noch eine Schippe draufzulegen. Vielleicht kann ich mir dort den deutschen Rekord holen“, sagte er. Seit fünf Jahren war der 25-Jährige nicht mehr so schnell, der Druck sei daher spürbar gewesen. „Ich habe alle in meinem Team am Vorabend verrückt gemacht“, sagte Wierling am Samstagnachmittag dann aber lachend.

Hinter ihm zogen auch die Kollegen mit und sicherten auch der siebten und damit letztmöglichen DSV-Staffel das Ticket für die Sommerspiele. Dank Marius Kusch (SG Essen/48,91), Christoph Fildebrandt (SSG Saar Max Ritter/49,05) und Eric Friese (der in den USA lebende Potsdamer war dort vorige Woche ebenfalls 49,05 gekrault) wurde die Norm (3:15,50 Minuten) um genau eine Hundertstel unterboten. „Ich liebe es einfach, mit den Mannschaftskameraden in der Staffel zu schwimmen. Staffel habe ich schon immer gern gemacht, das macht immer Spaß“, freute sich Schmetterlingsspezialist Kusch.

Annika Bruhn (Neckarsulmer Sport-Union) war nach der erfüllten Norm über 200m Freistil offenbar ein Stein vom Herzen gefallen, beflügelt sicherte sie sich am Tag darauf über die halbe Distanz in neuer Bestzeit von 53,96 Sekunden ihren zweitem Einzelstart in Tokio. „Wenn es läuft, dann läuft’s! Es hat sich richtig gut angefühlt. Auf den letzten zwei Bahnen habe ich nochmal Vollgas gegeben und alles rausgeholt“, sagte die strahlende Siegerin. In ihrem Sog steigerten sich auch die anderen DSV-Sprinterinnen im Kampf um die Staffelplätze, zunächst im A-Finale Lisa Höpink (SG Essen) 54,65, Marie Pietruschka (SSG Leipzig) 54,73 und Isabel Gose (SC Magdeburg), womit sich letztere kurzzeitig auf Rang vier des Staffelrankings vorschob, unmittelbar danach schlug im B-Finale aber Hannah Küchler (AMTV-FTV Hamburg) mit neuem Jahrgangsrekord für 19-Jährige von 54,88 zurück.

Ramon Klenz als tragischer Held

Den meisten Beifall bekam an diesem Tag aber Ramon Klenz (SG Neukölln), und das ohne Olympianorm. Der 22-Jährige hatte nach einer Corona-Zwangspause im Januar am Donnerstag auch noch einen schweren Autounfall direkt gegenüber der Schwimmhalle wegstecken müssen. Trotz Schleudertrauma trat dann über die 200m Schmetterling an, verpasste im Alleingang in 1:56,64 Minuten um winzige 34 Hundertstel die Einzelnorm. „Ich fand es toll, wie ihn alle angefeuert haben. Alle haben es ihm so sehr gewünscht, einige hatten danach tatsächlich Tränen in den Augen, dass er die Norm so knapp verpasst hat. Diese Stimmung und diesen Zusammenhalt fand ich wirklich cool“, sagte Aktivensprecherin Köhler. Hier wünschen sicher viele Schwimmfans nun etwas Großzügigkeit bei der Olympianominierung durch den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). „Ich bin mir sicher, dass der DOSB an einigen Stellen kulant ist, denn in anderen Sportarten ist es noch schlimmer, und da werden noch mehr Zugeständnisse gemacht“, sagte Bundestrainer Berkhahn im Hinblick auch auf anderen Corona-Infizierte: „Wir setzen uns zusammen und gucken, ob wir Einzelfalllösungen schaffen können.“

Für das letzte Weltklasse-Ergebnis des Tages sorgte Jacob Heidtmann (ST Stadtwerke Elmshorn), der über 400m Lagen in 4:14,00 Minuten glänzte. „Ich bin schon zufrieden, auch wenn ich mir sogar noch ein bisschen mehr vorgenommen hatte. Eine 4:14 ist gut für mich, aber mein eigener Anspruch liegt noch ein bisschen höher. In den zwölf Wochen bis Olympia will ich versuchen, dass es noch ein bisschen schneller geht. Ich will die Saison auf jeden Fall mit einer Bestzeit beenden. Und dann schauen wir mal, für wie weit nach vorne das reicht. Ich freue mich auf die Olympischen Spiele.“ Und das geht nach diesen April-Tagen vielen DSV-Aktiven so.

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