Damit hatte zu Jahresbeginn noch niemand gerechnet: die Deutschen Meisterschaften sind nach der Absage der Olympischen Spiele in Tokio und der Europameisterschaften in Paris der Höhepunkt der Saison. Es werden dazu definitiv andere Deutsche Meisterschaften der Leichtathletik an diesem Wochenende in Braunschweig. Die Covid-19-Pandemie macht es nötig. Im Stadion wird nur eine begrenzte Zahl von Athleten, Zuschauern, Pressevertretern und Offiziellen zugelassen sein, die Vorbereitung auch der Athleten des TV Wattenscheid 01 war wegen der besonderen Umstände natürlich nicht immer optimal.
TV 01-Manager Michael Huke sagte am Donnerstag bei einem Pressegespräch am Olympiastützpunkt an der Wattenscheider Hollandstraße: „Das sind schon sehr besondere Rahmenbedingungen, die eine besondere Organisation nötig machen. Wir mussten unser Team deutlich reduzieren, trotzdem ist es uns gelungen, dass jeder Athlet von einem eigenen Trainer betreut werden kann. Insgesamt fahren wir mit siebzehn Athleten nach Braunschweig. Mein Dank geht aber auch noch mal an den DLV, dass es möglich ist, mit dieser Veranstaltung die einzigen Meisterschaften in einer Individualsportart in Deutschland auf die Beine zu stellen. Wir schaffen damit aber auch Motivation für die Athleten, die noch in diesem Jahr Wettkampfpraxis sammeln können für die auf das nächste Jahr verschobenen Höhepunkte. Mein Dank gilt aber auch unseren Sponsoren Stadtwerke Bochum, die Viactiv-Krankenkasse und unserem Ausrüster Puma, die uns trotz der Krise alle weiter vollumfänglich unterstützen.“
Das alles hindert die Top-Athleten des TV Wattenscheid 01 Leichtathletik e.V. natürlich nicht, ganz fest an die eigenen Erfolgschancen zu glauben.
Zwei Tage vor den Wettkämpfen am Wochenende haben mehr als Hälfte der Wattenscheider Leichtathleten Finalchancen, gleich sieben stehen im Vorab-Ranking, dass für diese Meisterschaften als Qualifikation galt, unten den Top-3.
Zum Beispiel Hochspringerin Christina Honsel, die mit 1,90 Metern die deutsche Bestenliste derzeit anführt. „Die größeren Höhen haben sich schon angekündigt, ich bin jetzt Favoritin. Ich bin gut drauf, also will ich dem auch gerecht werden“, sagte Honsel am Donnerstag. In Braunschweig mit sie mit 1,93 Metern ihre persönliche Bestleistung in Angriff nehmen. Das Fehlen der Zuschauer im Stadion stört sie kaum: „Ich habe jetzt schon vier Wettkämpfe ohne Zuschauer gemacht, und es geht auch ohne Klatschen, ich kann mich gut selbst motivieren.“ Für das nächste Jahr hat Christina Honsel auch schon einen Plan: „Ich habe gut gearbeitet und mich stabilisiert und hoffe, dann die 1,96 angreifen zu können.“ Das wäre dann die Qualifikations-Norm für die Olympischen Spiele.
Auf Platz eins der Meldeliste steht auch Werferin Julia Ritter (Foto) – als einzige deutsche Kugelstoßerin hat sie in diesem Jahr weiter als achtzehn Meter gestoßen, persönliche Bestleistung. Und auch mit dem Diskus tritt sie wieder an: „Zum Glück finden die Wettkämpfe diesmal nicht gleichzeitig statt, im letzten Jahr musste ich zwischen dem Kugelstoßring und dem Diskus-Ring immer hin und her sprinten. Jetzt kann ich mich ganz auf nur einen Wettkampf konzentrieren. Ich habe auch nichts dagegen, wenn ich mit der Kugel ganz oben stehe. Im Diskus zählt für mich nur die Weite. Aber gerade mit der Kugel erwarte ich einen harten Konkurrenzkampf. Ich freue mich drauf, zusammen mit Hanna Meinikmann.“ Die Vereinskollegin hat ebenfalls Chancen auf das Finale, steht derzeit auf Platz fünf der Meldeliste.
Über 5000 Meter will Amanal Petros seine Bronzemedaille aus dem letzten Jahr bestätigen – auch wenn er gerade im letzten Jahr seinen Fokus vor allem auf den Marathon und den Halbmarathon gelegt hatte. Durchaus erfolgreich, im Marathon holte sich Petros die Olympianorm.
Jetzt aber hat er sein Training umgestellt: „Ich habe erst mal pausiert und mich ohne Trainingsplan fit gehalten, wir alle mussten unsere Körper ja schützen. Zuletzt habe ich mich mehr auf meine Schnelligkeit konzentriert, auch wenn es auf die Ausdauer geht. Aber ich bin sehr froh, dass es jetzt wieder losgeht.“
Gute Chancen auf Siege, Medaillen und Finalteilnahmen haben dazu wie immer Robin Erewa über die 200 Meter, der in diesem Jahr bisher der schnellste Deutsche über diese Strecke war. Über 110 Meter Hürden ist natürlich auch mit Routinier Erik Balnuweit zu rechnen, der in diesem Jahr mit 13,67 Sekunden die zweitschnellste Zeit stehen hat.
Im Diskuswurf der Männer ist auch Daniel Jasinski dabei, der zwar erst einen Wettkampf in diesem Jahr absolviert hat, dennoch gut drauf ist und alle Beschwerden der letzten Monate überwunden hat.
Und dann wird auch Pamela Dutkiewicz endlich ihren ersten Wettkampf über die 100 Meter Hürden der Frauen bestreiten, und das gleich als Favoritin im Feld, nachdem ihre Hauptkonkurrentin um den Titel, Cindy Rohleder, Mutter wird.
Das Feld der Wattenscheider Starter komplettieren Johanna Bechthold, Philipp Trutenat und Robert Hering über die 100 Meter, Noel Fiener und Synthia Oguama über die 200, Florian Colon-Marti über die 400 Meter und Sebastian Dietl im Diskuswurf.
Gute Chancen also für den TV Wattenscheid 01 – aber: „Ganz klar freuen wir uns über jeden Titel, jede Medaille“, sagt TV 01 Manager Michael Huke, „aber am wichtigsten ist in diesem Jahr, gesund zu bleiben.“
Foto: TV 01 Wattenscheid